StartGeschichtenLeuteAgricola, Hans Sachs und Anton Günther zu Gast bei Rudolf Hannawald
Sonntag, 15. Juni 2025

die heimat sehen

25.5 C
Altenberg
29.9 C
Marienberg
27.5 C
Flöha
27.2 C
Komotau
25.7 C
Eibenstock

Agricola, Hans Sachs und Anton Günther zu Gast bei Rudolf Hannawald

Kulturgeschichte meisterlich in Holz geschnitzt – das verkörpert die Handschrift des Bärensteiners. Der Werkzeugmacher versteht das Schnitzeisen meisterlich zu führen und wurde mehrfach ausgezeichnet.

Bärenstein. Vor allem markanten und bemerkenswerte Kapitel mitgestaltenden Zeitgenossen gibt der Bärensteiner eine Figur. Unter seinem Werkstattdach finden stellvertretend der Minnesänger Walther von der Vogelweide, Dichter Hans Sachs und Kunstmaler Hans Zindel einen Platz, wie der Geologe Georgius Agricola, ein böhmischer Bergarbeiter und der Münzmeister von Joachimsthal für die Montanregion Erzgebirge stehen. Klar, dass Mundartsänger Anton Günther mit von der Partie ist, wie sein weniger bekannter Zeitgenosse Hans Soph und die Dirigentenlegende Ernst Mosch von den Egertaler Musikanten.

Sein Herz gehört auch den böhmischen Musikanten, hier eine Formation von Fatzern, fahrenden Künstlern. Foto. Christof Heyden

Den Fatzern, aus Böhmen kommenden Wandermusikanten und in der Welt zuhause, hat der in Hirschenstand Geborene genauso mehrere Motive gewidmet. Die Kneipenszene bildet aufgeschnittenes Brot, Schinken und Würste ab, die zum Reinbeißen einladen und vom servierten Bier möchte man auch kosten, während die Musik spielt. Auch typische Akteure der Heimatregion setzt er in Szene: so in einer Brennholz-Serie rund das Holzmachen, dem Rastelbinder und Kesselflicker.

Bevor es ans Werk geht, zeichnet Rudolf Hannawald Arbeitsskizzen, achtet vor allem auf die Proportionen seiner Figuren. Foto: Christof Heyden

„Mir geht es um mehr, als ein Männel für die heimische Vitrine zu schnitzen“, sagt der 82-Jährige. „Ich interessiere mich für Land und Leute, will dem Betrachter mit Motiven davon erzählen, die aus der Werkstatt hinaustreten“, so Rudolf Hannawald. Mit diesem Anspruch zählt er längst zu den versiert die Eisen führenden Akteuren. Mit seinen thematisch anspruchsvoll ausgeführten Arbeiten hat er so manchen Preis gewonnen. Auch zur jüngsten Neuauflage des im Rahmen der Erzgebirgischen Schnitzertage in Annaberg-Buchholz veranstalteten Wettbewerbs wurden ihm weitere Ehrungen zugesprochen.

Die Eisen für feinste Arbeiten im gesivht der Figuren hat sich Rudolf Hannawald als Werkezugmacher selbst angefertigt. Foto: Christof Heyden

Kenner der Branche erkennen die Hannawald-Figuren. Markant und zugleich verblüffend sind die meisterlich ausgeführten Gesichter und die bis in kleinste Details geschnitzten Facetten. Beispielhaft gelten dafür etwa die glänzenden Silbertaler des Münzprägemeisters. Selbst die feingliedrige Gravur hat er ins Holz geritzt. „Dafür verwende ich Eisen, die ich selbst angefertigt habe“, sagt Rudolf Hannawald, gelernter Werkzeugmacher. Um derart hauchfeine Konturen zu schaffen, nutzt er an seinem Arbeitsplatz auch eine Brille mit Lupe. Die war für seine jüngste Arbeit unentbehrlich: „Ich habe den erzgebirgischen Musikanten Curt-Herbert Richter geschnitzt. Dessen Markenzeichen war die Harfenzither. Dieses Instrument maßstabsgerecht mit den über 30 Saiten zu bespannen, war die bislang schwierigste Aufgabe“, konstatiert Rudolf Hannawald.

Die Eisen für feinste Arbeiten im Gesicht hat sich Hannawald selbst angefertigt, auch trägt er eine Spezialbrille mit Vergrößerungsfunktion. Foto: Christof Heyden

„Nach verschiedensten Versuchen bin ich zur Variante gekommen, den Resonanzkörper mit feinem Kupferdraht zu bespannen, der die Spannung hält.“ Den Impuls, dieses neue Kunststück zu schaffen, hat der Schnitzer von Heimatfreunden aus Bernsbach erhalten. „Curt-Herbert Richter wurde in Bärenstein geboren und lebte bis zu seinem Tode in deren Gemeinde. Die will ihm perspektivisch eine kleine Ausstellung widmen.“

Wie bei anderen Figuren auch, geht der Schnitzarbeit ein Quellenstudium voraus. „Ich stöbere in Lexika, im Internet, habe Archive aufgesucht, um mich den Zeitzeugen anzunähern, ihre Lebensumstände besser kennenzulernen. Von den frühesten Akteuren ist nur wenig überliefert, es existieren noch keine Fotos, aber Gemälde und zeitgenössische Stiche.“ Das Motiv im Kopf, bedenkt der Schnitzexperte die körperlichen Proportionen, fertig dazu extra Zeichnungen an. 

Herausragenden Akteuren der Zeitgeschichte, etwa dem Münzmeister von Joachimsthal, gehört die schnitzerische Leidenschaft von Rudolf Hannawald. Foto: Christof Heyden

Erstaunlich, dass Hannawald erst in reifen Lebensjahren diese Leidenschaft für sich entdeckt hat. „Wir hatten uns für Weihnachten eine neue Pyramide angeschafft. Der Auslöser: die Figuren haben mir nicht gefallen. Also reifte der Plan, selbst typische Akteure zu schaffen.“ Gedacht-getan. Als 60-jähriger Autodidakt schloss er sich der Bärensteiner Schnitzgruppe an, holte sich Tipps bei Fachleuten. Und erwarb seine Fertigkeiten durch regelmäßiges Schnitzen. Eine Beziehung zu Holz hatte er hergestellt, wendebedingt arbeitete er bei einer Firma, die Bearbeitungsmaschinen für Tischler herstellte. (hy)

WEITERE BEITRÄGE AUS DIESER KATEGORIE

Autor

Christof Heyden
Christof Heydenhttps://www.erzgebirge.tv
in Chemnitz lebend, geb. 1961 in Pirna, Diplom-Kulturwissenschaftler Humboldt-Uni Berlin, seit 1993 Freier Journalist und Pressefotograf. Mailadresse: christof.heyden(at)erzgebirge.tv

Beiträge mit ähnlichen Schlagwörtern