Kulturgeschichte meisterlich in Holz geschnitzt – das verkörpert die Handschrift des Bärensteiners. Der Werkzeugmacher versteht das Schnitzeisen meisterlich zu führen und wurde mehrfach ausgezeichnet.
Bärenstein. Vor allem markanten und bemerkenswerte Kapitel mitgestaltenden Zeitgenossen gibt der Bärensteiner eine Figur. Unter seinem Werkstattdach finden stellvertretend der Minnesänger Walther von der Vogelweide, Dichter Hans Sachs und Kunstmaler Hans Zindel einen Platz, wie der Geologe Georgius Agricola, ein böhmischer Bergarbeiter und der Münzmeister von Joachimsthal für die Montanregion Erzgebirge stehen. Klar, dass Mundartsänger Anton Günther mit von der Partie ist, wie sein weniger bekannter Zeitgenosse Hans Soph und die Dirigentenlegende Ernst Mosch von den Egertaler Musikanten.

Den Fatzern, aus Böhmen kommenden Wandermusikanten und in der Welt zuhause, hat der in Hirschenstand Geborene genauso mehrere Motive gewidmet. Die Kneipenszene bildet aufgeschnittenes Brot, Schinken und Würste ab, die zum Reinbeißen einladen und vom servierten Bier möchte man auch kosten, während die Musik spielt. Auch typische Akteure der Heimatregion setzt er in Szene: so in einer Brennholz-Serie rund das Holzmachen, dem Rastelbinder und Kesselflicker.

„Mir geht es um mehr, als ein Männel für die heimische Vitrine zu schnitzen“, sagt der 82-Jährige. „Ich interessiere mich für Land und Leute, will dem Betrachter mit Motiven davon erzählen, die aus der Werkstatt hinaustreten“, so Rudolf Hannawald. Mit diesem Anspruch zählt er längst zu den versiert die Eisen führenden Akteuren. Mit seinen thematisch anspruchsvoll ausgeführten Arbeiten hat er so manchen Preis gewonnen. Auch zur jüngsten Neuauflage des im Rahmen der Erzgebirgischen Schnitzertage in Annaberg-Buchholz veranstalteten Wettbewerbs wurden ihm weitere Ehrungen zugesprochen.

Kenner der Branche erkennen die Hannawald-Figuren. Markant und zugleich verblüffend sind die meisterlich ausgeführten Gesichter und die bis in kleinste Details geschnitzten Facetten. Beispielhaft gelten dafür etwa die glänzenden Silbertaler des Münzprägemeisters. Selbst die feingliedrige Gravur hat er ins Holz geritzt. „Dafür verwende ich Eisen, die ich selbst angefertigt habe“, sagt Rudolf Hannawald, gelernter Werkzeugmacher. Um derart hauchfeine Konturen zu schaffen, nutzt er an seinem Arbeitsplatz auch eine Brille mit Lupe. Die war für seine jüngste Arbeit unentbehrlich: „Ich habe den erzgebirgischen Musikanten Curt-Herbert Richter geschnitzt. Dessen Markenzeichen war die Harfenzither. Dieses Instrument maßstabsgerecht mit den über 30 Saiten zu bespannen, war die bislang schwierigste Aufgabe“, konstatiert Rudolf Hannawald.

„Nach verschiedensten Versuchen bin ich zur Variante gekommen, den Resonanzkörper mit feinem Kupferdraht zu bespannen, der die Spannung hält.“ Den Impuls, dieses neue Kunststück zu schaffen, hat der Schnitzer von Heimatfreunden aus Bernsbach erhalten. „Curt-Herbert Richter wurde in Bärenstein geboren und lebte bis zu seinem Tode in deren Gemeinde. Die will ihm perspektivisch eine kleine Ausstellung widmen.“
Wie bei anderen Figuren auch, geht der Schnitzarbeit ein Quellenstudium voraus. „Ich stöbere in Lexika, im Internet, habe Archive aufgesucht, um mich den Zeitzeugen anzunähern, ihre Lebensumstände besser kennenzulernen. Von den frühesten Akteuren ist nur wenig überliefert, es existieren noch keine Fotos, aber Gemälde und zeitgenössische Stiche.“ Das Motiv im Kopf, bedenkt der Schnitzexperte die körperlichen Proportionen, fertig dazu extra Zeichnungen an.

Erstaunlich, dass Hannawald erst in reifen Lebensjahren diese Leidenschaft für sich entdeckt hat. „Wir hatten uns für Weihnachten eine neue Pyramide angeschafft. Der Auslöser: die Figuren haben mir nicht gefallen. Also reifte der Plan, selbst typische Akteure zu schaffen.“ Gedacht-getan. Als 60-jähriger Autodidakt schloss er sich der Bärensteiner Schnitzgruppe an, holte sich Tipps bei Fachleuten. Und erwarb seine Fertigkeiten durch regelmäßiges Schnitzen. Eine Beziehung zu Holz hatte er hergestellt, wendebedingt arbeitete er bei einer Firma, die Bearbeitungsmaschinen für Tischler herstellte. (hy)