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So klingt´s in Auerbach a la 1954

Eine heitere Fernsehreise haben geschichtsinteressierte Auerbacher unternommen. Per 70 Jahre altem einzigartigen Film- und Tonmaterial tauchten sie in die Adventszeit des Jahres 1953- 1954 ein.

Auerbach. Unter der Devise „So klingt´s in Auerbach“ produzierten Filmemacher des Deutschen Fernsehfunks der DDR einen 70-minütigen Streifen zur Lebensart im Erzgebirge. Im Blickpunkt des Beitrags stand das Ensemble der VEB Vereinigte Feinstrumpfwerke ESDA Auerbach.

„Ursprünglich sollte am Heiligabend 1953 eine Weihnachtssendung in den Studios Berlin produziert und live ausgestrahlt werden. Doch die Hobbykünstler lehnten dies ab, da es Brauch sei, diesen Höhepunkt zuhause bei den Familien zu erleben“, so Christian Sehm vom gemeinsam mit den Schnitzern gastgebenden Heimatverein des Ortes. So kam bei den Fernsehfunkverantwortlichen die Idee auf, das Ensemble nicht ins Studio einzuladen, sondern diese Weihnachtssendung in Auerbach und Umgebung zu produzieren.

„Das Wagnis eines solchen Format mit Laiendarsteller gelang, schon Anfang 1954 begannen die Dreharbeiten vor Ort. Strukturiert in drei Abschnitte gab der Fernsehfilm einen Einblick in den Herstellungsprozess der Strumpfwaren bei Esda und speziell der da in den verschiedenen Fertigungsbereichen arbeitenden Ensemblemitglieder, um im zweiten Abschnitt mit ihnen musikalische Tour durchs Erzgebirge zu gehen“, hat der Vereinschef intensiv Nachforschungen zu dem Zeitdokument betrieben.

Im Schnitzerheim Auerbach ist ein Fernsehbeitrag des DDR-Fersnehfunks von 1954 aufgeführt wurden. Organisiert und durchgeführt haben die drei Vorstellungen u.a Christian Sehm, links und Joachim Siegert. Foto: Christof Heyden

„Unsere Bimmelbahn im Meinersdorf & Thumer Netz wurde das verbindende dramaturgische Element, in dem packen die Akteure ihre Instrumente aus. Deren Ziel: die Jugendherberg Geyer, wo ein Heilig-Abend-Hutzengehen nachgestellt wurde.“
Mit nabelnden Räuchermann und kreisenden Pyramiden unterhielten die Fernsehmacher das Ostpublikum auch mit den vorgetragenen legendären Liedern wie der Ofenbank und dem Hutzengehen, zeigten die Lebensart des Erzgebirges mit Schnitzen und Klöppeln.

„Indes erfolgte die dessen Endfertigung in den Berliner Ateliers“, so Christian Sehm. „Der Film wurde am 18. Dezember 1954 vom DDR-Fernsehfunk ausgestrahlt. Man bedenke, seinerzeit gab es in Auerbach gerade Mal sechs Fernsehapparate.“  Der Film wurde danach regelmäßig im Auerbacher Kino gezeigt, später versiegte das Interesse daran. Ab Mitte der 1960er Jahre mit Kombinatsgründung lagerte man den Film im Kulturhaus Clara Zetkin in Thalheim.

„Der damalige Auerbacher Klubhausleiter Martin Lieberwirth holte diesen 1977 nach Anstoß der Ensemblemitglieder und Heimatfreunde zurück“ erzählt der Auerbacher. „Eine erneuten Initiative Einheimischer ist es zu verdanken, dass der 35-Millimeter-Streifen nach der Wende trotz Privatisierung des Betriebes erhalten blieb, weil er noch vor der Insolvenz an die Gemeinde Auerbach überführt wurde.“ Die zwischenzeitliche Digitalisierung hatte in bewährter Manier Joachim Siegert vom hiesigen Filmteam übernommen.

Das Startbild des historischen Streifens von vor 70 Jahren. Foto: Christof Heyxden

Die authentische Stippvisite in den Wohnzimmern und Betriebsräumen ihrer Vorahnen wollten sich rund 120 Auerbacher nicht entgehen lassen. Proppevoll war das Schnitzerhaus als Vorführstätte zu drei Aufführungen. Das Filmchen verbindet noch heute generationenübergreifend so manchen Zuschauer mit einem Stückchen Familien- und Firmengeschichte, verkörpern die Aufnahmen von der Bimmelbahn und des belebten früheren Auerbacher Bahnhofs vergessene Ortsatmosphäre.

Staunend und ein bisschen wehmütig verfolgten sie den Produktionsprozess in einem einst florierenden Betrieb, der talentierten Mitarbeitern in professionell agierenden Kulturgruppen die Basis sinnvoller Freizeitgestaltung gaben. So gibt es ein Wiedersehen mit Ensembleleiter Fritz Fischer, Gitarrist Oskar Köhler und Getrud Knoll am Akkordeon, noch heute von der reiferen Jugend als Musiklehrerin bekannt. „Ein Musikfilm, der zugleich ein Zeitdokument darstellt, karge Gegebenheiten aber zugleich den großen Zusammenhalt der Einheimischen zeigt“, resümiert Christian Sehm.  

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Autor

Christof Heyden
Christof Heydenhttps://www.erzgebirge.tv
in Chemnitz lebend, geb. 1961 in Pirna, Diplom-Kulturwissenschaftler Humboldt-Uni Berlin, seit 1993 Freier Journalist und Pressefotograf. Mailadresse: christof.heyden(at)erzgebirge.tv

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