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Trabi-Rennpappe & Melkus-Flitzer im Rampenlicht

Ostdeutsche Rennsportgeschichte samt Tüftlergeist in der Mangelwirtschaft rückt das Fahrzeugmuseum Chemnitz mit einer reizvollen Sonderschau in den Blickpunkt. Elf spezielle Zeitstücke erinnern an rasantes Wettkampfgeschehen.

Chemnitz. Ostdeutsche Rennsportgeschichte rückt das Museum für sächsische Fahrzeuge in Chemnitz ab 12. November in das Blickfeld begeisterungsfähiger Automobilisten. Elf legendäre Modelltypen stehen stellvertretend für 40 Jahre einzigartigen PS-Enthusiasmus in Zeiten staatlich gelenkter Mangelwirtschaft. Abseits der westlichen Modellmarken und Rennstrecken hatte sich zwischen Ahlbeck und Zwickau eine Szene leidenschaftlicher Schrauber und Rennpiloten etabliert, die mit außergewöhnlichem Tüftlergeist originelle Wettkampfgeräte auf die Räder zu stellen verstanden.

Im Fahrzeugmuseum Chemnitz ist 12. November eine Sonderausstellung zum Automobilrennsport in der DDR zu sehen. Jens Conrad ist einer der konzeptionellen Gestalter der Schau und hat in einer Rennpappe Platz genommen. Foto: Christof Heyden

„Neben den Renntrabis boten große Tourenwagen wie Lada und Zastava aber auch Formel- und Sportwagen wie etwa der legendäre Melkus RS1000 eindrucksvollen Motorsport“, zeichnet Jens Conrad für die Gestaltung der Schau mit verantwortlich, die einen interessanten Querschnitt dieser Rennperioden bietet. „Besonders zu betonen ist dabei, dass es sich bei Entwicklung, Bau und Einsatz der Rennwagen fast ausschließlich um private Initiativen handelte. Gerade auch im Vergleich mit Motorsportlern anderer sozialistischer Länder sorgten Fahrer wie Ulli Melkus und Hans-Dieter Kessler für zahlreiche Erfolge und spannenden Rennsport.“

Rennmobile nach der Kriegsphase. Foto: Christof Heyden

Die Rennboliden a la Ost in Szene setzend, skizzieren die Aussteller drei wesentliche Entwicklungsetappen des Motorsports: beginnend in den 1950er Jahren, von Conrad als Nachkriegssport beschrieben, über die vor allem zweitaktgetriebene Uniformierung des Renngeschehens ab den 1960er Jahren hin zur von Melkus angeführten Shiguli-Phase ab Mitte der 70er. „Das Interesse der DDR-Bevölkerung für den Rennsport war riesig.

Den Einstieg in den Automobilrennsport bildeten für zahlreiche Rennfahrer erste Runden in einem K-Wagen im Rahmen von Arbeitsgemeinschaften in der DDR“, so Jens Conrad. „Das letzte unter ADMV-Regie ausgetragene Rennen war jener 1990 in Most statt auf dem Sachsenring ausgetragener Vergleich.“ Wer kennt noch legendäre Wettkampfstrecken wie die Dresdner Autobahnspinne oder die Bernauer Schleife oder den alten Sachsenring? „Charakteristisch für die Zeit: in Gemeinschaft wurde entwickelt und gebaut, danach fair gegeneinander gefahren. Der bessere Sportler siegte, weniger der Geldbeutel“, so Conrad.  

Im Fahrzeugmuseum Chemnitz ist 12. November eine Sonderausstellung zum Automobilrennsport in der DDR zu sehen. Andreas Kirchübel steht für den K-Wagen-Sport. Sein Rennmobil von einst. Foto: Christof Heyden


Zu diesen gleichermaßen pfiffigen Tüftlern und Piloten zählt Andreas Kirchübel. Schmunzelnd zeigt er auf die Räder seines K-Wagens: „Die Felgen stammen ursprünglich von einer Schubkarre, wir haben sie verbreitert und aufgebohrt. Die Bremssattel habe ich aus Kolben einer Diesellokomotive gefertigt“, so der Chemnitzer, mehrfacher Meister in der 125er bzw. Serienklasse.

„1964 war es, als ich mich als Zehnjähriger einer Arbeitsgemeinschaft im RAW Chemnitz anschließen durfte“, so der gelernte Büromaschinenbauer, später studierte Elektrotechniker und Programmierer. „Fortan wurde wöchentlich, nicht selten 6-8 Stunden an unseren Ideen „gebastelt“. Mein erstes Rennen erfolgte im Oktober 1970 auf der Straße der Nationen im damaligen Karl-Marx-Stadt.“ Ab 1969 baute der Fahrzeugfan acht K-Wagen zusammen. „12 bis 14 Rennen bestritten wir im Jahr, zu den Rundkursen gehörte etwa jene rund um die Kirche in Frauenstein, in Brand-Erbisdorf oder Ehrenfriedersdorf. Damals ging es noch über die normalen Straßen, nicht auf präparierten Rennstrecken. Eine gefährliche Sache, bestand Gefahr, die Bordsteinkanten mit über 100 Sachen zu überfahren“, so der heute 69-Jährige. 

Angetreten ist er für den MC Barkas. Unvergessen bleibt sein Doppelsieg in beiden Klassen in Döbeln zur 1000-Jahr-Feier mit gebrochener Vorderachse oder aber auch ein Überschlag mit Schlüsselbeinbruch zum Rennen in Anklam.

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Autor

Christof Heyden
Christof Heydenhttps://www.erzgebirge.tv
in Chemnitz lebend, geb. 1961 in Pirna, Diplom-Kulturwissenschaftler Humboldt-Uni Berlin, seit 1993 Freier Journalist und Pressefotograf. Mailadresse: christof.heyden(at)erzgebirge.tv

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