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Montag, 29. April 2024

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E Haisl stieht Kopp und das Publikum ist aus dem Häuschen

Einmal im Jahr wird in Neuwürschnitz ein sprachbestimmtes Erlebnisformat zur heiteren Therapiestunde: dann wird erzgebirgisches Mundarttheater als herzerwärmende und Lachmuskel strapazierende Spielkost serviert.

Neuwürschnitz. Die Akteure der hiesigen Theatergruppe im Musikverein gestalten wieder rezeptfrei in diesen kälter werdenden Herbsttagen diese Kost . Auch im 25. Jahr der von den 22 Akteuren gebotenen Theatertage galt die Devise: zeitiges Kommen sichert Eintrittskarten, die für alle sieben Aufführungen samt Generalprobe weg gingen wie warme Semmeln.

Das Stell-Dich-Ein des den heimischen Zungenschlag schätzenden Publikums im proppevollen Saal des Soziokulturellen Zentrums Neuwiese verbreitete die Atmosphäre eines Familien- und Klassentreffens zugleich: ein nachbarschaftliches Wiedersehen unter Bekannten und Verwandten mit der vereinenden Sympathie für die Muttersprache.
Ein wacher Kopf und belastbares Sitzfleisch waren vom schaulustigen Volk für den auf drei Stunden verauslagten Dreiakter „E Haisl stieht Kopp“ gefragt.

E Haisel stieht Kopp heißt der Schwank des Mundarttheaters Neiwies in Neuwürschnitz mit Nancy Wiegand, links, Tino und Anja Richter. Foto: Christof Heyden

Die Mixtur derart Volksschauspiele setzt auf eine überschaubare Handlung mit liebenswert urigen Typen, die mit Wortwitz und Spiellaune agieren und jede szenische Verwechslung zu meistern verstehen. Wie schön könnte das Bühnenleben der Köhlers (im Alltag des Ehepaar Tino und Anja Richter) als stolze Besitzer eines soeben abbezahlten Eigenheims sein, gäbe es nicht die Verwandtschaft. Genau in jenem Moment, den Großvater ins Seniorenheim abgeschoben und der Tochter das Studium in der Ferne schmackhaft gemacht zu haben, bricht es über Jürgen und Ute herein: nix wird es mit dem Sekt am Morgen trinken oder gar dem nacksch durchs Haus rennen.

Das Tohuwabohu bricht über sie herein, als Bruder, Schwester, Angetraute und obendrein eine an Klatsch nimmersatte Sperrgusch in Form der Nachbarin (Nancy Wiegand bestens aufgelegt) das Domizil für sich in Besitz nehmen.
Und auch der ausgebüxte Großvater mit seinem störrischen Ansinnen, daheim den Lebensabend zu verbringen, lässt die emotionale Siedetemperatur bei den Köhlers auf der Bühne aber genauso die verheißungsvolle Laune im Saal steigen. Zudem erweist sich die aufbegehrende Tochter Chantal plötzlich wie ausgewechselt, der besorgte Vater sieht die auf einmal in Schwarz gekleidete Teenagerin auf gefährlichen Abwegen, die im Drogenmilieu oder als Klimakleberin enden könnten.

E Haisel sieht Kopp heißt der Schwank des Mundarttheaters Neiwies in Neuwürschnitz mit Susann Kretschmar, links, Jannes Weißer, Tino Richgter und Jörg Schubert. Foto: Christof Heyden

Zwei die Kondition fördernde Spielpausen einlegend, wurde schließlich das Chaos des rasanten Geschehens dennoch vergnüglich gelöst, wobei das dramaturgische Konzept auch auf das Improvisationsvermögen der Schauspieler zu tagesaktuellen Ereignissen setzt. Als reizvolle Facette erweist sich die Begleitmusik der vier Schrammeln, die schon mit den ersten Takten den Beifall des Publikums einheimsten.     

„Es ist ermutigend, welch Anklang unser Theaterspiel findet“, freute sich Spielleiter Mario Flemming mit seiner Truppe, deren jüngster Mime 18 Jahre und die Erfahrenste Mitte achtzig Lenze zählt. „Einst gestalteten wir zu den Hutzenabenden des Orchesters kleine Sketche, bis die Idee reifte, es mit einer gesamten Spielhandlung zu versuchen. Das begeisterte das Publikum und motivierte uns umso mehr. Die Begeisterung fürs Schauspielern und den heimischen Dialekt bringt Angestellten und Zahnarzt, Lehrerin und Student, Krankenschwester und Rentnerin zusammen.“ 

Mit Saalglocke ausgerüstet gab Annemie Engelmann die Start- und Pausenzeichen, war zumde die Mundartsachverständige. Foto: Christof Heyden

Längst freuen sich die Mundartakteure über ein Stammpublikum, deren treuesten Fans jeden Jahrgang besucht haben. Über Ortsgrenzen hinaus ist das Angebot nachgefragt, so kommen Borstendorfer oder Schönheider  reisen Enthusiasten sogar aus den Altbundesländern an. Die Proben begannen im Frühjahr, vorab hatte in bewährter Manier Annemarie Engelmann das ausgewählte Lustspiel in hiesige Mundart übersetzt. 

Das stimmungsvolle Gesamtpaket wird genauso vom gastronomischen Service bestimmt. So ließen sich Erlebnishungrige am Reformation-Vorstellungstag frischer kredenzten Apfelkuchen oder Zimtschnecken samt einem Schälchen Heißen an kälter und dunkler werdenden Herbsttagen schmecken.  

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Autor

Christof Heyden
Christof Heydenhttps://www.erzgebirge.tv
in Chemnitz lebend, geb. 1961 in Pirna, Diplom-Kulturwissenschaftler Humboldt-Uni Berlin, seit 1993 Freier Journalist und Pressefotograf. Mailadresse: christof.heyden(at)erzgebirge.tv

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