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Beim Karambolage-Spiel werden Wehwehchen vergessen

Da herrscht Leben in der Bude: das Sportzentrum Hirschfeld erweist sich als geschätzte Begegnungsstätte. Dabei geht es um mehr als Billard und Kegeln. Hier wird auch getanzt und musiziert.

Hirschfeld/Reinsberg. Geballte Lebenserfahrung trifft in Hirschfeld beim Karambolage-Billard aufeinander: eisern pflegt eine Seniorenrunde den Wettstreit mit Queues. Deren Durchschnittsalter: knappe 90 Jahre. Donnerstags gehören Walter Wanitschek, Gottfried Melzer, Reinhard Giese und Ernst Bendel zu den Akteuren an den Spieltischen im Sportzentrum des Reinsberger Ortsteils. Einst als Bäcker, Schmied, Maurer und Tischler den Berufsalltag meisternd, bereichert das Stell-Dich-Ein deren nachbarschaftlichen Tageslauf, halten sie Kontakt zur Dorfgemeinschaft.

„Diese Runde lässt uns Wehwehchen des Alters vergessen“, konstatiert schmunzelnd der 89-jährige Gottfried Melzer. Der gehörte 1960 zu den Gründungsmitgliedern der rührigen Sporttruppe, genauso wie Walter Wanitschek, mit 90 Jahren der Dienstälteste der Runde und Jahrzehnte als Kegelchef im Verein Verantwortung tragend. „Verschiedene Sportarten wie Kegeln pflegend, ist Billard nun die angemessene Disziplin“, stellt der Bäcker gutgelaunt fest.

Reinhard Giese verweist darauf, dass sich unter dem Motto Gut Holz ein ernsthaft geführter Wettstreit entwickelt. „Da wir nicht im aktiven Spielbetrieb agieren, schüren wir den Vergleich: 30 Cent hat jeder mit Spielbeginn in einen Topf zu werfen, um dessen Betrag gespielt wird. Und das kann andauern“, so der mit 81 Lenzen jüngste in der Truppe. „Heute beginnen wir 16 Uhr, spielen drei, manchmal vier Stunden“, so Ernst Bendel, der als einstiger Möbeltischler mit dem Holzstab umzugehen versteht. „Je älter, umso früher heißt unsere Devise. Denn: als jüngere haben wir erst zum Abend hin angefangen zu spielen, da waren wir mit unserer Runde erst im Morgengrauen fertig, als andere zur Arbeit gingen“, bemerkt der 89-Jährige schelmisch.

Dietmar Klose ist seit 2004 Vereinsvorsitzender des SV Hirschfeld 1960. Stolz ist er auf die Eigenleistungen der Truppe, dokumentiert mit zahlreichen Fotos und Zeitdokumenten. Foto: Christof Heyden

Quirliges Leben im nachgefragten Treffpunkt

Quirliges Leben herrscht die gesamte Woche im Hause. Das vermag Passanten beim Anblick des nüchternen Gebäudekomplexes zu erstaunen. Während die reifere Jugend donnerstags ihre Billardrunde startet, wird auf der schmucken Vier-Bahnen-Automatik-Kegelanlage als dem Herzstück fleißig trainiert.

Sektionsleiter Michael Becker betreut den Nachwuchs, unterstützt von Junior Tim Becker, zugleich Pressechef des Vereins. Aktuell gehen drei Herren- und eine Frauenmannschaft in zweiter Landesliga und Bezirksklasse auf die Classicbahn. Zudem wissen die Akteure zweier Kinderteams zu überzeugen. Auch die tragen den Ortsnamen ins Land hinaus, wie etwa nach Bayern, als die U-14 als Landesmeister Sachsens in München einen achten Platz errang.

An der Seite der Mädchen und Jungen ist auch Karin Wenzel. Die frühere Kindergärtnerin gilt als gute Seele, hat mit ihren 80 Lebensjahren manchem Einsteiger Tipps geben können. „Die Trainingsstunden möchte ich nicht missen, so komme ich noch unter Leute“, so das verdiente Gründungsmitglied des Vereins, die auch Kita-Gruppen oder die Hortkinder zu Spielsportstunden begrüßt.

„Unser HSV 1960 gestaltet das Ortsleben mit“, stellt Vorsitzender Dietmar Klose Stolz fest. „Es haben sich immer wieder engagierte Einheimische gefunden, dessen Geschicke fortzuführen“, so der 69-Jährige, seit 2004 Vorsitzender. Der erinnert an den Werdegang des früheren Wirtschaftshofes und später als Kulturhaus genutzten Objektes. „In Eigenleistung von haben wir 1976 eine Zweibahnanlage errichtet, diese 1994 modernisiert. Die 2013 wiederum in einem ehrgeizigen Bauvorhaben abgerissen und die jetzige Vier-Bahn-Anlage mit einer Investition von 350.000 Euro errichten können. In der früheren Bar befindet sich heute unser Gesellschaftsraum, die Umkleide war ehedem Fleischerei und Friseursalon.“

Hinter diesem Gemäuer herscht regelmäßig Trubel: als sportlich-kultureller Treffpunkt der Hirschfelder. Foto: Christof Heyden

Der Sportverein agiert als Pächter des Hauses und organisiert die Bewirtschaftung und Vermietung. Dabei wird unter der gesamten Woche nicht nur gekegelt und Billard gespielt. Die frühere Gaststätte nutzt der Jugendklub, den Saal die Musikanten des heimischen Spielmannszuges sowie die Bibersteiner Tischtennisspieler, an Sonntagen wird zur Tanzstunde geladen. Der Verein zählt 133 Mitglieder, darunter 16 junge Leute unter 18 Jahren. (hy)

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Autor

Christof Heyden
Christof Heydenhttps://www.erzgebirge.tv
in Chemnitz lebend, geb. 1961 in Pirna, Diplom-Kulturwissenschaftler Humboldt-Uni Berlin, seit 1993 Freier Journalist und Pressefotograf. Mailadresse: christof.heyden(at)erzgebirge.tv

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