Längst hat das angestaute Wasser der Talsperre Preßnitz die gleichnamige Berg- und Musikstadt in Böhmen verschluckt. Doch deren Geschichte lebt weiter. Das zeigte der emotional bewegende Heimatabend mit musikalischem Schwerpunkt in Steinbach.
Steinbach. Aus Böhmen kommt die Musik lautet eine in der Kunstwelt weit verbreitete Schlagzeile. Diesen musischen Aspekt rückten die Mitglieder des Erzgebirgszweigvereins Steinbach am Wochenende zu ihrem Heimatabend besonders in den Blickpunkt. Der stand unter dem thematischen Motto Preßnitz lebt – Přísečnice žije und ordnete sich in ein seit geraumer Zeit vorangebrachtes heimatgeschichtlich-touristisches Vorhaben ein, das Preßnitztal beiderseits des Grenzbaches zu beleben.
Dass diese Idee trägt und das Schicksal einer Stadt und Region die Öffentlichkeit bewegt, zeigte die enorme Resonanz: 160 Gäste folgten der Einladung in das Kulturhaus, um ihre Wissbegier zu stillen.
Das samstägliche mehrstündige Erlebnisformat hatten die Gastgeber facettenreich gegliedert. Neben dem geschichtlichen und vor allem vom Bergbau bestimmten Kurzstreifzug durch die einst freie Bergstadt und das Preßnitztal folgten Filmberichte zur besonders von der tschechischen Lehrerin Veronika Kupkova vorangetrieben Initiative Preßnitz lebt.
Der deftige Schmaus regionaler Spezialitäten wurde begleitet von musikalischen Einlagen Volker Grünwaldts, der ein Loblied auf Trinksaifen anstimmte und Bergmusikanten aus Geyer, die per Steigerlied das Treffen eröffneten. Unter den Besuchern mit Günther und Ingrid Schipper sowie Christine Rummer weilten Gäste aus Lohr im Spessart vor Ort, deren Familiengeschichte einst im Preßnitzer Raum geschrieben wurde und in der heutigen Talsperrenlandschaft geflutet wurde. „Unsere gemeinsame Neugier auf das musikalische Schaffen und das Schicksal der Preßnitzer erbrachte den Kontakt und die Teilnahme in Steinbach“, erzählt der 84-Jährige aus dem Maintal, der intensiv zur Lebensart der früheren Landsleute nachforscht und auch mit Veronika Kupkova die Zeitdokumente zusammenträgt und auswertet.
In ihrem Vortrag skizzierte die Autorin und Chronistin die Rahmenbedingungen, die dazu führten, dass das Städtchen Preßnitz einst für eine bestimmte Zeitperiode zu einer bekannten Weltmusikstadt wurde.
„Ursprünge gehen auf die Bergmannkapellen zurück, die von den Bergleuten währen des Silberfiebers im 16. Jahrhundert gegründet worden waren. Doch mit dessen Niedergang wurde die Musik zu einem maßgeblichen Broterwerb“, so Kupkova. Gehen die Männer auf Reisen, folgen bald die frauen nach. So macht sich etwa Anna-Maria Görner 1806 auf den weg nach Leipzig, um mit Harfenspiel ihre Situation zu verbessern. Diesem Beispiel folgen viele Harfenistinnen nach, oft schon im Alter von zwölf Jahren. Ihr Harfen, gefertigt von heimischen Tischlern und mit den Konzertinstrumenten von heute nicht vergleichbar, trugen sie in einer Leinwandhülle auf dem Rücken.
„Man spielte und sang meist ohne Noten. Die Texte wurden von Hadn abgeschrieben. Sie allesamt sorgten für sich und ihre Familien und schafften ein besseres Auskommen, wenngleich das beschwerliche Herumziehen bis zu zwei, drei Jahre dauern konnte. Und mit 25 Jahren war Schluss, dann waren die Mädchen dem Publikum und Kapellmeistern zu alt, frisches Blut wollte man auf den Bühnen sehen.“
Die Preßnitzer Kapellen spielten in Kurhäusern, Hotels und an touristischen Attraktionen auf, waren auf Messen zu Gast, begeisterten in Konzerthäusern und an Fürstenhöfen. Selbst auf den Decks der Ozeandampfer waren sie zu erleben, nachgewiesen sind Weltreisen bis China, Japan, Australien und Südamerika. Auch den Bau des Suezkanals begleiteten sie musikalisch darauf verweisen Zeugnisse von 1859 aus Ägypten.
Selbst der legendäre Karl May begegnet dem Preßnitzerinnen, rückt sie literarisch zu einer Begegnung in Fernost ins Bild, wo er selbst indes nie war. Veronika Kupkova wusste ihr Publikum mit ihrem Spürsinn zu erstaunen, bilden doch beispielsweise von den Musikern aus aller Welt geschriebene Postkarten eine Quelle ihrer Informationsbeschaffung.