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Vor 100 Jahren hieß es: Pack die Badesachen ein

Der Auer Stadtchronist Heinz Poller erinnert an die wechselvolle und zugleich schmerzliche Geschichte des Freibads Hakenkrümme. Die Freizeit-Oase musste indes dem Wismut-Bergbau weichen.

Aue. Am 17. Juli 1921, genau vor 100 Jahren wurde das Auer Stadtbad an der Hakenkrümme eröffnet. Anfang der 1920er Jahre wurden in ganz Deutschland Frei – und Hallenbäder gebaut. Dazu gab es sogar eine Broschüre mit dem Titel „Das Volksbad“. Darin konnte man, Bilder und Referenzlisten eingeschlossen, lesen, wie die Kommune Freibäder zu bauen hatte. In der Auer Stadtverwaltung wurde sogar 1920 ein Volksbadeausschuss gegründet, die sich über ein Grundstück und dessen Bebauung, Gedanken machten.

Zur Auswahl kam das Lumpachtal, wo der „Lumpichbach“, das Bad speisen sollte. Aber die Hanglage war dafür nicht geeignet. Weitere Möglichkeiten waren die Wiese hinter dem Rittergut Klösterlein sowie die Wiese unterhalb vom Schlachthof, wo später dann das Stadion gebaut wurde. All das wurde verworfen, da der Lößnitzbach als Zufluss, zu verschmutzt war. Auch der Standort in der Schäferwiese, unterhalb der Schlemaer Straße, wurde abgelehnt.

Schließlich fand man in der Hakenkrümme durch Grundstücksankauf von der Fürstlich Schönburgischen Herrschaft in Hartenstein, einen geeigneten Standort. Die Hakenkrümme, welche vor dem Bergrücken des Burkhardtswaldes liegt, bekam ihren Namen von dem Fluss Verlauf des Schwarzwassers, der sich in einem großen Bogen am Wald entlang in Richtung Aue zog.

Vom ersten Spatenstich bis zur Eröffnung vergingen nur 10 Wochen! Das war eine unglaubliche Leistung, wenn man bedenkt, dass man erst einmal den Wald roden musste und noch keine befestigte Zufahrt vorhanden war.
Die geplante Größe betrug 20 x 50 Meter bei einer Kostenschätzung von 200.000 Mark. Ein Bad mit 50 Meter Länge war damals etwas Außergewöhnliches. Trotz mahnender Stimmen, dass wegen dieser Größe die Unterhaltungskosten viel zu hoch werden würden und nur ganz wenige Schwimmer 100 Meter schwimmen könnten. Ein Glück, das man in der Auer Stadtverwaltung nicht auf diese „Unkenrufe“ hörte.

Binnen knapp drei Monaten wurde die Freizeitoase gebaut. Foto: Sammlung Heinz Poller

Am 17. Juli 1921 konnte um 14:00 Uhr das Freibad eröffnet werden. Vom „Bürgergarten“ an der Schwarzenberger Straße setzte sich der Zug der anwesenden Gäste von Schwimmvereinen und verschiedene Abordnungen von städtischen Körperschaften, angeführt durch eine Musikkapelle, in Richtung Hakenkrümme in Bewegung.
Die Eröffnungsfeier gestaltete sich, nach gehaltenen Lobreden über die Verwirklichung vom Traum eines städtischen Freibades, auf deren Erbauer und der Stadtverwaltung, zu einem sportlichen Ereignis ersten Ranges. 100 Vertreter von Schwimmvereinen u.a. aus Dresden, Leipzig Halle, Chemnitz, Plauen mit ca. 200 Schwimmerinnen und Schwimmer zeigten den 3000 Zuschauern ihr Können.

Damit wurde zugleich für den Schwimmsport geworben. Das Bad wurde so gut angenommen, dass es in den folgenden Jahren immer moderner und die Außenanlagen noch schöner zu Geltung kam. 1927 wurde ein Holzhaus zur Verpflegung der Badegäste aufgestellt, worin auch der Bademeister wohnte. Neben größeren Umkleidekabinen und einem 3- Meter Sprungturm, wurden auch Steinterrassen angelegt.
Zu den parkähnlichen Liegewiesen wurden später noch zwei steinerne Kunstwerke geschaffen. 1928 wurde vom Dresdner Künstler Prof. Eugen Hoffmann eine liegende Nixe und 1933 von Emil Teubner die Figur „Mutter mit Kind“, welches als einziges Überbleibsel vom Freibad, noch im Auerhammer Freibad zu sehen ist, gefertigt. Im März 1932 wurde noch ein rundes (17,5m im Durchmesser) Nichtschwimmerbecken errichtet.

1928 wurde vom Dresdner Künstler Prof. Eugen Hoffmann eine liegende Nixe geschaffen. Foto: Sammlung Heinz Poller

Für die Gestaltung und die wunderschöne Lage des Freibades Hakenkrümme, bekam man von staatlicher Seite die Auszeichnung „Schönstes Freibad Sachsen“.

Aus Akten des Kreisarchivs geht hervor, dass 1949 die WISMUT das Freibad für sich beanspruchte. In einem Schreiben der Auer Stadtverordneten kann man nachlesen, dass man einen Pachtvertrag nur dann zustimmte, wenn die WISMUT das Bad laufend instand hält und die unbegrenzte Benutzung durch die Bevölkerung zulässt.

Daran hielte man sich aber nicht und mit der Sprengung eines Felsen im Jahre 1950 wurde der bisherige Flussverlauf zerstört. Das hatte Folgen für das Freibad. In dieser Zeit wurde aus der Auer Nickelhütte das WISMUT Objekt 100, welches seine giftigen Abwässer in das Gelände des ehemaligen Bades pumpte. 1971 begann dann die Abtragung der großen Sandhalde in der Neustadt, wo durch die Hakenkrümme immer mehr zugeschüttet wurde.

Durch das Anlegen einer Müllkippe mit Ablagerungen von Unmengen von unsortiertem Hausmüll, alten Autoreifen, Kohlendreck vom VEB Kohlehandel und durch das Anlegen von Fäkalienteiche, verschwand immer mehr die Erinnerung an dieses Bad.

Aber ganz aus dem Gedächtnis der älteren Bewohner von Aue verschwand es doch nicht. Dies wurde beim Spatenstich am 15.10.2019 zur Rekultivierung dieser Deponie deutlich. Da reifte die Idee, dass man vielleicht die Nixe orten kann. Der Auer Fotografenmeister Andreas Stopp machte sich mit Interessenten daran, danach zu graben. Nach und nach gelang es, die Fragmente der Rückwand, wo die Nixe lag und weitere Terrassenmauern inklusive Treppe, freizulegen.

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Autor

Christof Heyden
Christof Heydenhttps://www.erzgebirge.tv
in Chemnitz lebend, geb. 1961 in Pirna, Diplom-Kulturwissenschaftler Humboldt-Uni Berlin, seit 1993 Freier Journalist und Pressefotograf. Mailadresse: christof.heyden(at)erzgebirge.tv

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