Zum Ersten Advent erlebte Kater Carlo seine Premiere als Wetterorakel. Mit dem Verwiegen des Fellträgers sagten die Einheimischen zum 10. Mal die kommende Winterperiode voraus. Wie sieht die aus?
Voigtsdorf. Mit einem nichtalltäglichen Dorfbrauch rückten die Voigtsdorfer am Ersten Advent für Augenblicke in die bundesweiten Schlagzeilen. Die Neuauflage der per Katzenwiegen angestellten Wetterprognose zur bevorstehenden Wintersaison weckte das Interesse der Öffentlichkeit. Dicht gedrängt verfolgten Besucher des Weihnachtsmarktes diesen Programmpunkt.
Zu den anreisenden Schaulustigen gehörte auch Gäste anderen Regionen, darunter aus Berlin. Per sozialer Medien wurde diese Eigenheit samt Schwarzem Kater Nero bekannt.
„Seit 2014 beleben wir diesen Brauch wieder in unserer Gemeinde und von Anfang an dabei war Kater Nero“, so Jens Lommatzsch, der als Impulsgeber dieser Aktion gilt. „Der Vierbeiner war ein idealer tierischer Partner, mit dem wir spielerisch unsere Zeremonie durchführen konnten. Dazu zählt, dass er von selbst aus seinem Korb auf die Waage trat und so lange sitzen blieb, dass wir ihn verwiegen konnten.“
Als der bewährte Proband verstarb, setzten die Voigtsdorfer 2023 ihre Vorhersage zur zu erwartenden Winterhärte mit einem neuen miauenden Kandidaten fort. „Bis wenige Augenblicke vor der Zeremonie waren wir im Glauben, einen geeigneten Kater im Ort gefunden zu haben. Indes stellte sich heraus, dass die Besitzer eigentlich ihre Katze mit Namen Ida riefen. Und ehrlich, auch der Wiegevorgang verlief nicht erfolgreich, wir konnten kein solides Ergebnis ermitteln“, so Jens Lommatzsch weiter.
Also legten die Initiatoren vom sich lose unter dem Jahr treffenden Wetterkomitee, aus zwei Mägden, zwei Knechten und vier Kommissionsmitgliedern bestehend, großen Wert auf einen neuen Probanden. Und der war in der Familie von Jens Lommatzsch gefunden. „Carlo ist acht Jahre alt, zwar nicht schwarz, vielmehr getigert gestreift. Er ist ein lieber Familienkamerad. Dennoch sind wir gespannt, wie er den Auftritt meistert“, so der Voigtsdorfer.
Unterdessen bereiteten Jens Nebel und Falko Klose die Bühne vor. Mit Wasserwaage ausgerüstet, wurden Tisch und Messgerät unter den Blicken der aufmerksamen Zuschauerschar ausgerichtet. Unter Blasmusikklängen schritt die Wiegekommission ein, wurde Carlo zunächst im Körbchen auf die Waage gesetzt. Jetzt ermittelten die Jurymitglieder das Gesamtgewicht.
Dieses festgestellt, zog die geforderte Ruhe im Auditorium ein: denn Carlo wurde ermutigt, den Schritt aus seinem Tragebehältnis zu wagen. Unter Zureden und Streicheln vom Besitzer steckte der seinen Kopf aus der Öffnung und wagte den Schritt auf die rote Decke. Schnell erfolgte der Netto-Wiegegang und Augenblicke später landete der Kater behütet in den Armen von Jens Lommatzsch.
Beifall brandete auf, die Jury griff zusammenkommend zum Taschenrechner, zog die Statistik samt dem Wertungsbuch heran, und stellte die aktuelle Prognose auf. Die erwartungsfrohe Runde wusste, dass es auf das Gewicht ankommt. Im Hochsommer war Carlo verwogen worden und brachte 3760 Gramm Ausgangsgewicht mit.
„Je mehr Winterspeck er sich jetzt angefressen hat, desto härter wird der Winter“, so der Vorsteher des Komitees beim Verkünden des Ergebnisses. „Carlo bringt heute 4630 Gramm auf die Waage. Eine Zunahme von 23 Prozent. Ein moderates Ergebnis. Das heißt: Es wird Winter. Mit Schnee, im Wechsel mit erwärmenden Tagen. Der wird nicht so lasch wie im Vorjahr, aber auch nicht so bösartig wie in den 1970er-Jahren.“ Derart Unbill hätte demnach drohen können, wenn der Fellträger um mehr als 30 Prozent seines Körpergewichts angefressen hätte. Nero indes lebt weiterhin unter den Einheimischen.
An der Bushaltestelle haben ihm die Voigtsdorfer eine drei Meter hohe Holzwaage samt geschnitztem Kater als Denkmal aufgestellt. (hy)