Landesgartenschau 2019 erweist dem einstigen Automobilstandort die Referenz: Ein Kleintransporter rollt jetzt fürs Marketing.
Frankenberg. Die Organisatoren haben als besonderes Marketingelement einen Framo-Transporter erworben, der einst in der Stadt an der Zschopau erbaut worden war. Im Wissen um das berufliche Faible gewannen die Gastgeber einen gestandenen Chauffeur für den rollenden Werbeträger: Winfried Hacker. Fast zwei Jahrzehnte nach dem Ende der wendebedingten beruflichen Laufbahn, steuert der einstige Testfahrer jetzt wieder hinter dem Lenkrad sitzend ein weiteres Kapitel Frankenberger Motorgeschichte(n) bei.
Klar, dass so wieder Benzingespräche in Gang kommen. Gemeinsam mit Hansjörg Schmiedkampf, früherer Versuchsingenieur und Jürgen Rehm, einst Konstrukteur, weiß Winfried Hacker Einblicke in den ostdeutschen Automobilbau zu geben. Alle drei waren vor allem in das B 1000-Kleintransporter-Projekt integriert.
der Biografien. Waren in die Entwicklung des Nachfolgermodells des Framo von 1956 bis 1961 rund acht Millionen Kilometer von den Testfahrern zurückgelegt worden, waren diese nach der Markteinführung des B 1000 weiter auf Tour.
„Regelmäßig ging es darum, gebrauchswertsteigernde Maßnahmen zu erzielen, den Komfort zu erhöhen. Was wir in der Konstruktion berechnet hatten, wurde von der Versuchsabteilung aufgegriffen und als Baugruppen in den Testwagen eingebaut.
Deren Fahrer checkten auf Basis eines genormten Prozederes dann deren Praxistauglichkeit. So etwa die elektronische Zündanlage oder die leistungsstärkere Lichtmaschine“, erinnert sich Jürgen Rehm. „Später, als der VW-Motor eingebaut wurde, galt es alles, was um das bundesdeutsche Aggregat mit Westbauteilen funktionierte, durch Ostkonstruktionen zu ersetzen, um Devisen zu sparen. So wurde etwa der Antriebsriemen von Continental durch ein Pneumant-Produkt ersetzt, galt es eigene Lösungen für Vergaser und Verteiler zu finden. Das galt es zu testen“, so der 78-jährige Fahrzeugexperte.
„Vier Tage unter der Woche waren wir mit drei B 1000 auf Testfahrt, freitags war Werkstatttag, da wurden die Einbauten geprüft und neben dem Tagesbericht das ausführliche Wochen-Fahrprotokoll geschrieben. Etwa, wie die Kupplung reagiert hat. Wie die Straßenverhältnisse waren, ob Sonne schien oder Frost herrschte“, erinnert sich Winfried Hacker, der letzte seiner Testfahrer-Zunft unter den Barkasleuten. „Wir waren sechs Kollegen zuzüglich einem Teilebeschaffer. So gingen immer drei Teams zweischichtig auf Strecke, manchmal sogar dreischichtig.“ Begann der Berufskraftfahrer mit seiner Schicht, wusste er, was von ihm fahrtechnisch verlangt war: „Es gab einen angestammten 144 Kilometer langen Rundkurs, den wir pro Schicht zwei Mal durchfuhren.“
Mit roten Nummernschildern und einer Schnellfahrerlaubnis ging es ans Kilometer schrubben. So gut dies möglich war: „Die normierte Verbindung umfasste 13 Prozent schlechte Asphaltstraße, 17 Prozent gute Asphaltstraße, 38 % Kleinpflaster und 32 Prozent der Runde ging es über die Autobahn“, fügt Jürgen Rehm hinzu. Damit nicht genug: Über die Distanz sollte 25 Mal mit dem I. Gang angefahren und 60 Mal der zweite Gang eingelegt werden, 150 Mal galt es in den dritten Gang zu kuppeln und 160 Mal wurde mit dem vierten gefahren. In Frankenberg startend fuhren die Chauffeure, ermutigt an Leistungsgrenzen zu gehen und das Material nicht zu schonen, nach Hainichen, über die Autobahn bis Siebenlehn, über Freiberg nach Eppendorf, durch Hohenfichte hinauf nach Augustusburg, weiter über Zschopau bis Thum, um von da durch die Karl-Marx-Städter Stadtteile Schönau und Borna wieder zum Ausgangspunkt zu gelangen.
„So absolvierte jedes Fahrzeug täglich 576 Kilometer, sowohl mit leerem Kleintransporter, aber auch halb und mit einer Tonne vollbeladen. Dazu wurden Sandsäcke genutzt“, erinnert sich Hansjörg Schmiedkampf. Der 77-Jährige war als Versuchsingenieur selbst mit Fahrzeugen auf Tour und hat beispielsweise die Idee des gekrümmten Auspuffrohres mitgeboren.
„Es gab Dinge, die man nur durch den Versuch technisch lösen konnte und nicht auf dem Reisbrett der Konstrukteure. So zog beim Kleinbus die Abgasfahne ins Fahrzeug, das lag unter anderem am Material unserer Dichtungen der Hecktür. Als wir die Position des Auspuffs geändert haben, trat dieser Effekt nicht mehr ein“, denkt er zurück.
Die drei Frankenberger gehören zu jenen, die auch die Modellreihe B 1100 als Nachfolgetyp des Barkas B 1000-1 getestet haben. „Indes, mit dem 10. April 1991 vollendete sich mit dem Produktionsende auch dieses Kapitel, von dem im Fahrzeugmuseum Frankenberg berichtet wird und ein Prototyp zu besichtigen ist“, so Winfried Hacker.