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Verheerendes Grubenunglück erschütterte Oelsnitz

Eine Schlagwetterexplosion forderte vor 100 Jahren den Tod von 57 Bergleuten. Heino Neuber vom Bergbaumuseum Oelsnitz erinnert an das Geschehen an jenem Montag 1921. Mit einer Feierstunde wird an die Opfer gedacht werden.

Oelsnitz. Am kommenden Sonntag vollendet sich ein Jahrhundert seit dem Tage, an dem der Schreckensruf eines der schwersten Grubenunglücke in Sachsen die Bergarbeitergemeinde Oelsnitz im Erzgebirge durcheilte. An jenem Montag, dem 24. Januar 1921, hatte sich auf dem Friedens-Schacht eine verheerende Schlagwetterexplosion ereignet.

Erst vor Jahresfrist war die Schachtanlage im Zuge der Konzernbildung im sächsischen Steinkohlenbergbau zur Gewerkschaft Deutschland gekommen. Umfassende Modernisierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen infolge der Beanspruchung während und der geänderten Bedingungen nach dem Ersten Weltkrieg waren für den Fortbestand der Werke unerlässlich. So hatte auch die für ihre besten Steinkohlen des Reviers bekannte Oelsnitzer Bergbaugewerkschaft das Angebot der Stadt Leipzig zum Kauf der Anteilsmehrheit und Verschmelzung mit dem großen Nachbarwerk angenommen.

Die Förderung von Steinkohle „als Brot der Industrie“ lief in den wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich angespannten Nachkriegsjahren unvermindert. So fuhren auch an jenem regnerisch-düsteren Wintermorgen 200 Bergarbeiter zur Frühschicht auf dem Friedens-Schacht ein. Kurz nach sieben Uhr nahmen sie in 750 Metern Teufe ihre körperlich anstrengende und gefahrvolle Arbeit auf – darunter jene im Ort Nr. 6.

Der Friedensschacht von Oelsnitz auf einer Aufnahme von 1913. Foto: Bergbaumuseum Oelsnitz Archiv

Es war Montag und obwohl die Abbaue aufgrund hoher Neigung zu Austritt von Grubengas ständig mit gesonderter Frischluftzufuhr versehen waren, stand der Ventilator bei Schichtbeginn still. Es hatte sich ein hochexplosives Methan-Luft-Gemisch angesammelt. Wie es zu der gegen 7.15 Uhr erfolgten Schlagwetterexplosion kam, konnte durch spätere Rekonstruktion des Geschehens nur vermutet werden.

Offenbar war dem beauftragten Ortshauer beim Untersuchen auf gefährliche Grubengase seine Benzin-Sicherheitslampe verlöscht. Erst nach einigen Versuchen gelang es ihm, sie wieder in Betrieb zu setzen. Das am Unglücksort gefundene, geöffnete Geleucht zeigte einen langen, benutzten Zündstreifen. Mutmaßlich wollte er ihn durch Öffnen der Lampe entfernen, den Glaszylinder reinigen und so bessere Arbeitsbedingungen erlangen. Wie er die mit Magnet verschlossene Lampe hatte öffnen können, blieb unbeantwortet.

Durch die Explosion wurden 38 Bergleute durch die Explosionsflamme sowie durch Nachschwaden sofort getötet, weitere 24 schwer und 5 leicht verletzt. Von den Schwerverletzten starben nach der Bergung 19 Männer, so dass 57 Todesopfer zu beklagen waren.

Erste Hilfsmaßnahmen leisteten Belegschaftsmitglieder der vom Unglück nicht betroffenen Revierbereiche. Rauch schränkte das ohnehin schwache Licht der Grubenlampen ein, das dennoch auf ein schemenhaftes Bild des Grauens fiel: überall lagen Tote, Verletzte irrten in der Dunkelheit umher, durch die Druckwelle umgeworfene Hunte und deformierte Gleise versperrten den Weg.

Die Vorstellungskraft versagt, liest man die Berichte von Zeitzeugen. Wenn versucht wurde, die Schwer­verletzten wegzutragen, schrien sie entsetzlich, da die Brandwunden ihnen unvor­stell­bare Schmerzen verursachten. Unter Einsatz aller verfügbaren Rettungskräfte der umliegenden Werke und der nahen Unfallhilfsstelle, der Oelsnitzer Ärzte und der Freiwilligen Sanitätskolonnen aus Oelsnitz und Hohndorf versuchte man, umgehend Hilfe zu leisten.

Erinnerungstafel an die Opfer des Grubenunglücks. Foto: Bergbaumuseum Oelsnitz

Währenddessen standen auf dem Werksplatz dichtgedrängt Männer und Frauen, die zwischen Hoffen und Bangen auf neue Nachrichten warteten. Herzzerreißende Szenen spielten sich ab, wenn bei den Geborgenen ein Toter durch die Angehörigen erkannt wurde. Bedenkt man, wie viele der Opfer noch glücklich aus den Schützengräben des Krieges oder aus langer Gefangenschaft heimgekehrt waren, begreift man das Unglück als umso schwerwiegender.

Als Folgerung verschärfte man die Bergpolizeivorschriften dergestalt, dass die Benzin-Sicherheitslampen Feuersteinzündung und Spiralfederverschluss aufweisen mussten und nur noch den Wettermännern vorbehalten blieben. Die Mannschaften waren durchweg mit elektrischen Lampen auszurüsten. Zudem hatte man Ventilatoren an Orten mit Neigung zu Grubengasaustritten ständig in Gang zu halten.

Am kommenden Sonntag, den 24. Januar 2021 um 14.00 Uhr werden daher Vertreter des Museums des sächsischen Steinkohlenbergbaues und der Knappschaft des Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers als Förderverein des Bergbaumuseums Oelsnitz/Erzgebirge am Denkmal für die Opfer der Grubenkatastrophe auf dem Friedhof der Bergarbeiterstadt in aller gebotenen Form durch eine Kranzniederlegung nicht nur jene 57 Bergleute würdigen, denen die Katastrophe den Tod brachte. Vielmehr wird allen gedacht, die den Gewinn der „Schwarzen Diamanten“ bei Unglücken und Unfällen mit ihrem Leben bezahlten.

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Autor

Christof Heyden
Christof Heydenhttps://www.erzgebirge.tv
in Chemnitz lebend, geb. 1961 in Pirna, Diplom-Kulturwissenschaftler Humboldt-Uni Berlin, seit 1993 Freier Journalist und Pressefotograf. Mailadresse: christof.heyden(at)erzgebirge.tv

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