Ohne Lokführer im Führerstand?

Teilerfolg im Förderprogramm „WIR! – Wandel durch Innovation in der Region“: Antrag für europaweit einzigartiges Modellprojekt im Erzgebirge kann bis Herbst 2018 beim Bund gestellt werden

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Fotografik: Technische Universität Chemnitz/Jacob Müller

Annaberg-Buchholz. Was bisher nur im Science-Fiction-Film möglich ist, wird vielleicht bald Realität, dank gebündelter Kompetenzen und Schlagkraft auf einem Forschungscampus in Annaberg-Buchholz.

Die Weichen sind nunmehr gestellt: Mit zahlreichen starken Partnern im Hintergrund, wie z. B. Siemens AG, Deutsche Bahn, Eisenbahn-Bundesamt, TU Dresden sowie dem Freistaat Sachsen bewarben sich die Stadt Annaberg-Buchholz und die Technische Universität Chemnitz mit ihrer Idee für den Zuschlag um Fördermittel des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) für ein einzigartiges Modellprojekt in Europa. Unter der Überschrift „Smart Rail Connectivity Campus“ sollen hoch automatisiertes Fahren auf Normalspurgleisen der Bahn im Erzgebirge sowie ökologisches Fahren insbesondere mit hybriden Antrieben weiter erforscht und zur Realität werden.

Die Voraussetzungen sind hervorragend: Bereits seit 2005 ist auf dem Bahnhof Annaberg-Buchholz Süd modernste elektronische Stellwerktechnik (ESTW) der Siemens AG in Betrieb. Seit dem 19. Januar 2018 wird nun der Zugbetrieb der Erzgebirgsbahn durch ein digitales Stellwerk (DSTW) vollautomatisch gesteuert. Mit der Strecke zwischen Annaberg-Buchholz und Schwarzenberg steht eine Trasse für Testfahrten zur Verfügung. Entwicklungsarbeiten zum sächsischen Hybrid-Schienenfahrzeugprojekt EcoTrain sind weit fortgeschritten und mit dem Unteren Bahnhof in Annaberg-Buchholz ist ein idealer Standort für die Einrichtung eines Forschungscampus im Erzgebirge vorhanden.

Die erste große Hürde ist bereits genommen. Vor wenigen Tagen bestätigte das BMBF, dass die Projektidee im Programm „WIR!- Wandel durch Innovation in der Region“ unter mehr als 100 Vorschlägen in die Liste der besten 32 Vorhaben aufgenommen wurde. Damit kann sie – unterstützt durch erste Fördergelder in Höhe von insgesamt 200.000 Euro – in ein detailliertes Konzept gegossen werden. Bis zum Herbst 2018 muss dieses beim BMBF erneut eingereicht werden. Von den nunmehr 32 Projekten können nur zwölf Sieger mit einem Zuschlag und erheblichen Fördergeldern von je fünf bis acht Millionen Euro allein in den ersten beiden Jahren rechnen.

Getragen wird das Projekt auf breiter Basis durch die TU Chemnitz und die Fraunhofer-Institute IWU und ENAS, die Stadt Annaberg-Buchholz und die DB RegioNetz Verkehrs GmbH/Infrastruktur GmbH Erzgebirgsbahn. Unterstützend wirken auch die Wirtschaftsförderungsgesellschaften der Stadt Chemnitz und des Erzgebirges sowie viele weitere Partner.

Die Herausforderungen sind anspruchsvoll: Beim automatisierten Zugbetrieb spielen die Themen Kontrolle, Sicherheit und Überwachung der Trasse eine entscheidende Rolle. Wichtig ist auch, dass Personen, Signale, Umgebung und Bahnhöfe interaktiv erkannt werden. Dazu sind unter anderem leistungsfähige Computer, Sensoren, Kameras und Schnittstellen notwendig. Entlang der Trasse soll deshalb ein leistungsfähiges 5G-Datennetz aufgebaut werden.

Der Prorektor für Transfer und Weiterbildung der Technischen Universität Chemnitz, Prof. Dr. Uwe Götze, sieht ein enormes Potenzial des Projektes: „Mit den angestrebten Forschungsergebnissen können wir maßgebliche Beiträge zu einem nachhaltigen Schienenverkehr leisten. Zudem wird durch die Etablierung eines Forschungscampus die Vernetzung zwischen den Unternehmen der Region und der Technischen Universität Chemnitz gefördert und die Innovationskraft dieser Unternehmen gestärkt. Die Voraussetzungen für erfolgreiche Forschungsarbeiten sind angesichts der bestehenden kooperativen Beziehungen zwischen den Partnern und der Vorarbeiten, unter anderem im Projekt EcoTrain, hervorragend.“

Der Annaberg-Buchholzer Oberbürgermeister Rolf Schmidt ist überzeugt: „Diese Projektidee hat das Potenzial für eine absolute Alleinstellung des Erzgebirges in Europa. Forschung, Technologie und Innovation zum automatisierten Fahren auf Bahntrassen würden unter realen Bedingungen hervorragend miteinander vernetzt und konzentriert. Mit der TU Chemnitz und vielen weiteren Partnern sind wir sehr gut aufgestellt. Es gibt reale Chancen für eine universitäre Forschungseinrichtung in unserer Stadt mit Strahlkraft für die gesamte Region und für hochqualifizierte Arbeitsplätze. Außerdem würden die regionale Automobil- und Zulieferindustrie, der Maschinen- und Anlagenbau sowie Unternehmen aus der Digitalisierungsbranche von diesem Vorhaben profitieren. Weiterhin können innovative Konzepte für die Mobilität von morgen im ländlichen Raum entwickelt werden.“