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Architektur, die erneut begeistert

„Deutscher Hochschulbaupreis 2022“: Architekten und Bauherr des Gebäudes der Universitätsbibliothek der TU Chemnitz erhalten besondere Anerkennung der Jury

(PM TU Chemnitz)

Das jüngste Gebäude der TU Chemnitz mit der ältesten Baugeschichte hat eine weitere Auszeichnung erhalten: Beim „Deutschen Hochschulbaupreis 2022“, der am 28. März in Berlin verliehen wurde, gab es eine Anerkennung in Höhe von 5.000 Euro für die Universitätsbibliothek der Technischen Universität Chemnitz. Eine weitere Anerkennung erhielt die Universität Hamburg für das „Haus der Lehre – Light & Schools“. Der mit 15.000 Euro dotierte Hauptpreis ging an die Hochschule Offenburg für das Regionale Innovationszentrum für Energietechnik. Mit dem „Deutschen Hochschulbaupreis 2022“ werden Hochschulgebäude oder -ensembles ausgezeichnet, sei es als Neubau, Sanierung oder Modernisierung, die eine besondere baukulturelle Qualität aufweisen bzw. von vorbildlichem Umgang mit historischer Bausubstanz zeugen. Sie vereinen in herausragender Weise ästhetische und funktionale Gesichtspunkte und sind als Hochschulgebäude für Studierende und Hochschullehrerinnen und -lehrer  attraktiv. Zugleich sind sie dem nachhaltigen Bauen in ökologischer, ökonomischer und soziokultureller Hinsicht verpflichtet und tragen positiv zur Gestaltung des öffentlichen Raumes bei. Der Preis wurde von der Deutschen Universitätsstiftung unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen zum sechsten Mal ausgelobt. Insgesamt haben sich 22 Hochschulen aus zehn Bundesländern beworben.

„Es freut mich sehr, dass in diesem Jahr erneut ein Gebäude der TU Chemnitz im Rahmen des Deutschen Hochschulbaupreises geehrt wurde und so überregional große Aufmerksamkeit erfährt. 2016 wurde bereits der Adolf-Ferdinand-Weinhold-Bau der TU Chemnitz nach seiner Sanierung prämiert, heute ist es unsere Universitätsbibliothek. Dies zeigt, wie kreativ und erfolgreich in Chemnitz Architektinnen und Architekten, der Bauherr – der Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement – und die Universität bei der Campusentwicklung zusammenarbeiten. Ich gratuliere allen, die zur Erreichung der diesjährigen Auszeichnung mitgewirkt haben, sehr herzlich“, sagt Prof. Dr. Uwe Götze, Vertreter des Rektors und Prorektor für Transfer und Weiterbildung der TU Chemnitz.

Zweite Ehrung für den Umbau der Alten Aktienspinnerei innerhalb weniger Monate

Die Anerkennung für die Chemnitzer Universitätsbibliothek ging an die ARGE Aktienspinnerei – bestehend aus den Architekten Siegmar Lungwitz, Lydia Heine, Thorsten Mildner (alle Dresden) und Thomas Rabe (Berlin) sowie an den Bauherrn – den Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement – für den Umbau der Alten Aktienspinnerei zur Universitätsbibliothek der TU Chemnitz. Dies ist bereits die zweite Ehrung innerhalb weniger Monate: Ende des vergangenen Jahres erhielten sie bereits eine Anerkennung im Rahmen der Vergabe des Architekturpreises BDA-Sachsen 2021. „Der erneute Architektur-Preis für unsere Bibliothek erfüllt auch uns mit Stolz, denn der Umbau und die Sanierung eines riesigen alten Fabrikgebäudes zu einer hochmodernen Universitätsbibliothek mit mehr als 1,2 Millionen Büchern und Zeitschriften ist schon etwas Besonderes. Jeder, der unsere Bibliothek betritt, wird den einzigartigen Charakter des Gebäudes sofort spüren“, sagt Angela Malz, Direktorin der Universitätsbibliothek.

Historischer Aktienspinnerei wurde zur modernen Universitätsbibliothek

Das historische Gebäude der Alten Aktienspinnerei bestand vor dem Zweiten Weltkrieg aus einem zentralen fünfgeschossigen Mittelbau mit Zierbekrönung sowie zwei langgestreckten viergeschossigen Seitenflügeln mit Satteldach und markanten Ecktürmen. Aufgrund der Umnutzung des historischen Industriegebäudes zur Bibliothek und der heutigen komplexen Anforderungen an ein modernes Gebäude waren umfangreiche Anpassungen des Bestandes erforderlich. Die beiden Seitenflügel wurden weitgehend erhalten. Die Kubatur sowie die Fassadengestaltung der historischen Aktienspinnerei wurden in ihrer ursprünglichen Form wieder hergestellt. Die Fenster erhielten ihre alten Formate mit Bögen, Sandsteingesimse und -gewände und das Erdgeschoss erhielt seinen Bossenputz zurück. Der Mittelbau sowie die äußeren Giebelfelder der Seitenflügel wurden entkernt und mit einer geänderten inneren Struktur, die der neuen Nutzung durch die Bibliothek Rechnung trägt, aufgebaut. Der Anbau eines Bücherturms nördlich des Mittelbaus schafft nun Raum für das Magazin. Im Gebäude entstand eine Nutzfläche von insgesamt 12.354 Quadratmeter. Dem Typus der bestehenden Gebäudestruktur folgend wurden in den seitlichen Gebäudeflügeln die Freihandbereiche der Bibliothek angeordnet. Der Mittelteil wurde mit zentralen Funktionen wie Eingangshalle, Haupterschließung und Lesesaal besetzt. Die Verwaltung wurde an den Giebelseiten im Osten und Westen und im Mittelbau untergebracht.

Wertvolle Bausubstanz wurde erhalten

Die Bauarbeiten begannen im April 2014 mit dem Rückbau leerstehender Gebäude rund um das Hauptgebäude. Ab Oktober 2014 wurden die Seitenflügel beräumt, von allen Einbauten befreit und in den Rohbauzustand versetzt. Dabei wurden etwa 6.500 Tonnen Bauschutt zum großen Teil in Handarbeit aus dem Gebäude gebracht. Das wertvolle gusseiserne Tragwerk mit gemauerten Kappengewölben wurde wieder sichtbar gemacht. Im Juli 2015 begann die Komplettentkernung des Mittelbaus. Die Außenwände wurden parallel dazu statisch gesichert und im Anschluss die Baugrube für den Mittelbau und den Magazinanbau hergestellt. Insgesamt wurden etwa 21.500 Tonnen Abbruchmaterialien beseitigt. Auch mit Überraschungen mussten die Bauleute umgehen. Der extrem schlechte Baugrund musste verstärkt und die Deckenkonstruktionen stellenweise umfangreich saniert sowie teilweise erneuert werden. Insgesamt wurden rund 330 Stahlfenster eingebaut, etwa 185 Kilometer Kabel verlegt und allein im Freihand-Bereich rund 22.000 Regalmeter aufgebaut.

Hintergrund: Geschichte der „Alten Aktienspinnerei“

Die im Baustil des historischen Eklektizismus in Chemnitz errichtete Aktienspinne¬rei entstand von 1857 bis 1859 infolge der Gründung einer Aktiengesellschaft als damals größte Spinnerei Sachsens mit 60.000 Spindeln. Abweichend von früheren Spinnereien hatte der Architekt Friedrich Theodor Roschig das Gebäude vor allem wegen der Brandgefahr ganz aus Eisen und Stein projektiert, also weitgehend auf Holz als Baumaterial verzichtet. Damit galt das Gebäude als eines der brandsichersten in der Stadt. Der Spinne¬reibetrieb endete 1914. Bereits 1905 ging das Areal in das Eigentum der Stadt Chemnitz über. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude schwer beschädigt und verlor sein Dach und das oberste Geschoss. In der Folge wurde es unter anderem als Essenausgabe, Provisorium für das zerstörte Opernhaus, Kaufhaus, Stadtbibliothek, Bürohaus und Puppentheater und zuletzt als Galerie genutzt. Seit 2011 ist das Gebäude Eigentum des Freistaates Sachsen. Mitte 2015 begann der Umbau zur  Universitätsbibliothek der TU Chemnitz, ab Juni 2020 konnten die bisherigen drei Bibliotheksstandorte und deren Magazine sowie das Universitätsarchiv im Gebäude der Alten Aktienspinnerei zusammengelegt werden. Insgesamt zogen 38 Kilometer Bibliotheks- und Archivgut um. Am 1. Oktober 2020 öffnete die neue Universitätsbibliothek der TU Chemnitz ihre Türen – jedoch mit Einschränkungen für den laufenden Betrieb und Publikumsverkehr aufgrund der Corona-Pandemie. Der Freistaat Sachsen investierte rund 53 Millionen Euro. Etwa 13,6 Millionen Euro davon stammen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

Einblicke in die Universitätsbibliothek und deren architektonische Besonderheiten vermittelt das Video „Energieeffiziente Investitionen in Hochschulgebäude: Alte Aktienspinnerei, Chemnitz.“ (Quelle: EFRE-Projektfilme 2021 / Europa fördert Sachsen.)

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Autor

Mario Steinebach
Mario Steinebach
- seit 1995 Pressesprecher der Technischen Universität Chemnitz - ehrenamtlicher Pressesprecher der Ortsgruppe Oederan der Wasserwacht

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