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Freitag, 14. November 2025

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Wenn es in erzgebirgischer Mundart funkt

Eine angestammte Hörergemeinschaft pflegt den heimischen Zungenschlag via Ätherwellen per Funk-Modus. Erzgebirger rund um Scheiben- und Auersberg erfreuen sich seit Jahrzehnten am muttersprachlichen Heimateck-Programm

Tannenberg. Eine aufgeweckte Hörerrunde stellt regelmäßig dienstags zu später Stunde seine Sende- und Empfangsbereitschaft her. Mit dem in Funksprache dafür geltenden Begriff QRV signalisiert ein Stamm von rund zwei Dutzend Teilnehmern, ab 21 Uhr via Ätherwellen an einer speziellen kulturellen Programmeinlage teilzuhaben: dem Mundart-Stammtisch der Ortsgruppe Sachsen 45 Aue/Schwarzenberg im Deutschen Amateur-Radio-Club (DARC).
Auf UKW-Frequenz 438.950 sind für runde 20 Minuten Beiträge im erzgebirgischen Zungenschlag zu vernehmen. Berthold Reichel, in der Funkergilde als Bertl weithin unter seinem Stationsruf DG2 BRT bekannt, gestaltet die musische Vortragsrunde.

Berthold Reichel gestaltet dienstags die Mundartrunde der Amateurfunker. Foto: Christof Heyden

„Heimatecke nennt sich meine Rubrik, die sich einer aufgeschlossenen Zuhörerschaft erfreut“, berichtet der 76-Jährige. In Tannenberg wohnend, frönt der Erzgebirger, entsprechende Lehrgänge abgeschlossen und Lizenzen in der Tasche, seit über 30 Jahren dem Hobby Funk. „Ich gehöre dem Ortsverband Aue/Schwarzenberg an, dessen Clubanlage meine technische Basis bildet“, so der gelernte Werkzeugmacher.

„Aktuell strahlen wir über die Relais-Stationen Auers- und Scheibenberg im 2m- und 70cm-Band aus“, so Berthold Reichel. „Unter einem Relais versteht man eine Funkanlage, die selbstständig arbeitet und es schwächeren, weiter entfernten oder mobilen Funkstationen ermöglicht, im Umkreis des Relais den Funkbetrieb bewerkstelligen zu können. Akteure aus Annaberg, Beierfeld, Schwarzenberg, Zwönitz, Breitenbrunn und Schneeberg sitzen vor Mikrofon- und Lautsprecher. Auch Chemnitzer begrüßen wir, wie wetterbedingt sogar am Hermsdorfer Kreuz und im Thüringer Raum Funkamateure mit von der Partie sind.“

Berthold Reichel gestalter dienstags die Mundartrunde der Amateurfunker. Foto: Christof Heyden


Die abendliche Kulturstunde im Sendebetrieb der Clubstation mit Kennung DL0 AUE wird von Wolfgang Kuni Kuhnert als Rundenführer zunächst nach den allgemeinen Regeln des Funkbetriebs eröffnet. Dazu zählt die Anmeldung und Begrüßung. „Danach erhalte ich das Signal, meinen Beitrag zu gestalten“, sagt der Fan des heimischen Dialekts.

„Da bringe ich aus meinem großen Fundus an Materialien unterschiedlichste Texte zum Vortrag. Das sind Berichte von Dorfchronisten, Reiseerlebnisse von Mitbürgern, Naturbeobachtungen von Einheimischen, geografische Erkenntnisse Bräuche und Sprüche, aber auch Prosa-Lektüre und selbst Gedichte. Nachgefragt ist das Thema Bimmelbahnen oder unsere Passstraßen. Selbst gesungen habe ich schon mal, aber davon haben mir die Kollegen lachend abgeraten“, so der gebürtige Hermannsdorfer.

Berthold Reichel gestaltet dienstags die Mundartrunde der Amateurfunker. Foto: Christof Heyden

„Ich nutze vor allem Bücher und Sammelstücke meines Vaters, der einst in Geyer im Chor und Erzgebirgsverein engagiert war. Klar, dass die Lektüre von Anton Günther, Hans Soph, Manfred Pollmer und anderen Autoren und Musikern unserer Region die Basis ist. Entscheidend ist das Lokalkolorit unter der Devise Wu iech derham bie. Ich will gern einen kleinen Beitrag leisten, dass diese Redeweise nicht verloren geht.“ 

Als Hiesiger mit dem Zungenschlag vertraut, präpariert sich Bertl dennoch für seine Vorträge. „Die Druck- und Schreibweise unserer Vorgänger will gelesen und gesprochen sein, daher lese sie zwei, drei Mal vorab durch.“

Berthold Reichel wählt Lektüre aus,. der Auer Ortsverbandsvorsitzender Felix Mann ist in dessen Funkstudio zu Besuch. Foto: Christof Heyden


Längst möchte auch Felix Mann, unter DL 6 JF der Ortverbandschef Aue-Schwarzenberg, diese Facette nicht mehr missen. „Sie zeigt, dass Funken mehr als nur Aspekte der Station und deren technischen Betrieb umfasst, es ein soziales Miteinander gibt. Wir zu Tagesfragen kommunizieren und selbst Mundart sprechen.“
Mit einem „73“ für Viele Grüße! und dem Signal QRT für Es liegt nichts mehr vor, endet die Sendestunde, deren technischen Fachbegriffe indes keine erzgebirgische Eigenworte kennen.

Unter dieser UKW-Frequenz gestalten die Funker ihre Heimatrunde. Foto: Christof Heyden

„Neben dieser Runde gibt es verschiedenste Treffpunkte der internationalen Funkergemeinschaft, die auf Kurzwellen um die Welt reisen“, so Berthold Reichel weiter. So gehört er zu einer Sektion, die regelmäßig Fotoschnappschüsse aus ihren Heimatländern teilt. „Bislang habe ich Kontakt zu Stationen in 130 Ländern hergestellt.“ (HY)

Infos: Ortsverband Aue-Schwarzenberg (S45) – DARC

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Autor

Christof Heyden
Christof Heydenhttps://www.erzgebirge.tv
in Chemnitz lebend, geb. 1961 in Pirna, Diplom-Kulturwissenschaftler Humboldt-Uni Berlin, seit 1993 Freier Journalist und Pressefotograf. Mailadresse: christof.heyden(at)erzgebirge.tv

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