Die Woche vom 10. bis 15. März 2005 bleibt Eisenbahnern und Anrainern der Strecke Cranzahl-Weipert-Komotau in Erinnerung. Schneechaos setzte selbst Züge fest.
Vejprty/Weipert. Schneemassen satt unter miserablen Sichtbedingungen, das kaltnasse Naturmaterial bis zu sechs Metern Höhe vom Wintersturm aufgeschoben, darunter eine Lokomotive samt Personenwagen fest eingeschlossen. Dazu obendrein ein Skiwanderer, der unbeirrt der deftigen Wetterbedingungen die Trasse der Eisenbahn spielend überquerte – diesen Anblick hat Mario Sandig als ein nichtalltägliches Erlebnis seiner beruflichen Laufbahn verinnerlicht.
„Ich gehörte zu einer Handvoll Mitarbeitern der Press Eisenbahn-Bau- und Betriebsgesellschaft Pressnitztalbahn, die an jenen Märztagen vor 20 Jahren mit im Einsatz waren, die Streckenverbindung vom Schnee zu räumen und den eingeschlossenen Zug zu befreien“, erzählt der heutige Disponent der Einsatzplanung des in Jöhstadt ansässigen Verkehrsunternehmens. „Schon seit Tagen hatten die extremen Winterbedingungen vor allem auf der tschechischen Seite, später auch auf dem Abschnitt der Erzgebirgsbahn, für erhebliche Herausforderungen in der Absicherung des Fahrverkehrs gesorgt. In Februartagen und im März kam der Zugverkehr sogar zum Erliegen, mussten selbst die Maschinen aufgegeben werden und sich die Personale zu Fuß vorm Verschneien retten.“

Bevor Mario Sandig mit Kollegen am 14. März 2005 von Chemnitz aus mit der Fräse der DB-Netz (heute DB InfraGO AG) auf den Weg ins Gebirge machten, scheiterten andere am Vortag ausgerückte Kollegen, den böhmischen Eisenbahnern mit schwerem in Wolkenstein gekuppelten Klimaschneepflug in einen Abschnitt zwischen Schmiedeberg und Reichdorf zu Hilfe zu eilen und festsitzende Technik abzuschleppen.
„In jener Nacht war ein weiteres Wintergewitter mit kräftigem Schneefall und Orkansturm über die Trasse hereingebrochen“, so der damals als Triebfahrzeugführer tätige Marienberger. „4 Uhr gestartet konstatierten wir bis Scharfenstein allenfalls eine leichte Schneedecke, erst ab Cranzahl und später Weipert wurde uns klar, was Sache ist: Schneemassen voraus, die durch die Stürme meterhoch aufgeschoben wurden.“ Mit zwei Lokomotiven der Baureihe V 60 /Ost je 600 PS leistungsstark, wurde die Schneeschleuder gen Schneeverwehung geschoben. „Ein technisches Ungetüm, 32 Tonnen schwer, welches aber mit Verstand zu bedienen ist. Sachte, mit Gefühl hieß die Devise. Die Vorschneider, welche die Schneesegmente abteilen, galt es nicht zu überfordern, wie es die Kamine zielgerichtet einzustellen galt.“

Staunen machte sich bei den gestandenen Triebfahrzeugführern breit, als der Schnee bis in Höhe der Fenster der Maschinen reichte, ja sie sogar an den Seiten weit überragte. „Das ist schon krass. Da heißt es, sich nicht festzufahren. Aus diesem Grund hatten wir eine zweite Lok angekuppelt, um notfalls Bewegungsfreiheit zu erlangen.“
Im Schritttempo arbeitete sich die Schleuder im Abschnitt zwischen den Kilometerabschnitten 12,0 bis 15,0 km voran. Nach fünf Stunden Dauereinsatz hatte man die rund 25 Kilometer Strecke am späten Nachmittag zurückgelegt.
„Diesen Einsatz vergisst man nicht. Umso mehr ist es wichtig, dass regelmäßig Schulungen an der in Chemnitz stationierten Technik durchgeführt werden, auch wenn aktuelle Klimabedingungen eher weniger Gedanken eines neuerlichen Szenarios zulassen“, so der 46-jährige Press-Eisenbahner.

„Der derart konzentrierte Einsatz von Schneepflug und Schneefräse geschieht nicht alle Tage, diese Aktion war der Höhepunkt eines Einsatzgeschehens, welches vor 20 Jahren vieler Beteiligte forderte. Mehrfach hatten sich die winterlichen Rahmenbedingungen zugespitzt“, konstatiert Uwe Schulze, Verkehrschronist und selbst Eisenbahner. „Die Märztage des Jahres 2005 erlebten den kräftigsten Schneefall der Saison, verbunden mit Stürmen in Orkanstärke. Bereits im Februar hielten die Witterungsumstände die Mitarbeiter der Erzgebirgsbahn und der Tschechischen Eisenbahn auf ihren jeweiligen Abschnitten der Gebirgspassage zwischen Cranzahl hinüber nach Vejprty/Weipert hinunter nach Chomutov/Komotau auf Trab“, so der Bärensteiner.
Gerade die höchsten Abschnitte zwischen Schmiedeberg und Kupferberg auf 850 Metern Höhe erlebten die schweißtreibende Schneeschlacht. „Hauptsächlich in den Einschnitten sorgten die riesigen Schneeüberhänge für bedrohliche Situationen. Diese drohten auf die Strecke oder gar einen passierenden Zug zu fallen. Zeitweilig wurde die Strecke gesperrt und Schienenersatzverkehr eingerichtet. Auf tschechischer Seite waren regelmäßig 30 Arbeitskräfte und ein Zweiwegebagger sowie mehrere Kleinfräsen im Einsatz, jedoch ohne der Situation Herr zu werden.“ (hy)