Keller wird zur Dampfschmiede

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Klaus Leibelt ist Dampfmaschinen-Bastelexperte. Derzeit entsteht Nummer 100 in der Werkstatt im Keller. Foto: Christof Heyden

Schnurren die Räder pocht das Herz von Klaus Leibelt: Der Annaberger ist leidenschaftlicher Bastler.

Annaberg-Buchholz. Surrend und mechanisch ratternd setzt sich das Schwungrad in Bewegung, der Schlund des Abluftventils hustet einige Wassertropfen heraus. Doch unbeirrt formt sich eine Rauchfahne, Nebelwolken werden dicker. Immer schneller beginnt das Energiebündel zu drehen. Das Handteller große Maschinchen schnurrt bald wie am Schnürchen. Musik in den Ohren von Klaus Leibelt und für ihn der Beweis, sauber gearbeitet zu haben. Das System hält dicht, baut Druck auf. Mit fachmännischem Blick checkt der 76-Jährige das reibungsfreie Miteinander von Ventilen, Kolben, Rädern, Pleulstange und Druckpfeife: Die oszillierende Dampfmaschine Made in Eigenbau ist dienstbereit. Mit Augenmerk versichert er sich an der Anzeige eines Zwei-Euro großen Manometers, der Zeiger vibriert im Normbereich.

Der 76-Jährige will dieses Projekt 2018 fertigstellen. Noch steht der Dampfkessel auf einem Holzbrettchen, soll aber auf vier Räder gesetzt werden und da seinen Dienst tun. Foto: Christof Heyden

Ungezählte Stunden hat Klaus Leibelt schon an diesem neuen Projekt gefräst, gedreht, geschraubt, gefeilt und gebohrt. Alles in Eigenbau hergestellt, allein kleinste Rohre erwirbt er im Baumarkt. Doch damit nicht genug. „Ich werde mit dem Teil ein kleines Modellauto antreiben, dafür wird der Dampfantrieb auf vier Räder gesetzt. Die Vorbereitungsarbeiten für diese Eigenkonstruktion sind abgeschlossen, der Fahrzeugbau ist meine Winteraufgabe, bis Jahresende will ich das Vehikel rollen lassen“, so Klaus Leibelt. Und so führt die Leidenschaft den gebürtigen Buchholzer seit Jahren mit der kälter werdenden Jahreszeit in den heimischen Keller. Sobald die Gartensaison abgeschlossen ist, wechselt der Erzgebirger mit dem grünen Daumen vom Beet an die Werkbank. Auf knapp zehn Quadratmetern taucht er ab in sein Reich, in dem die moderne Drehbank und andere Strom getriebene Geräte den meisten Platz beanspruchen, eine Armada an Metallbohrern und Feimechanikerwerkzeugen auf ihren Einsatz warten, wie filigranste Schrauben und Zubehör, wie Armaturen, bereitliegen.

„Jeden Tag ab 8 Uhr stehe ich in meiner kleinen Werkstatt“, erzählt der Modellbauer. Nicht einmal zur Mittagszeit und erst recht nicht zu einem Schläfchen bekommt ihn seine Frau Bärbel zu sehen. Mit eiserner Disziplin steht der Bastler seinen Mann bis zu Schichtende gegen 15.30 Uhr. „Diese Leidenschaft bestimmt meinen Alltag seit reichlich 15 Jahren, sie begann, als ich aus dem Berufsleben ausgeschieden bin“, schwingt bei ihm ein bisschen Verbitterung in der Stimme mit. „Das ist nicht mein Ding, schon am Vormittag den Fernseher einzuschalten und auf dem Sofa zu sitzen. Ich brauche die Tätigkeit wie Luft und Wasser.“1957 war der geschickte Handarbeiter als Lehrling ins Berufsleben eingestiegen.

Alles entsteht im Eigenbau, die Ventile auch, die per Mund schon Mal auf Dichtheit getestet werden. Foto: Christof Heyden

Dreht sich heute alles um Metall, bestimmte Kunststoff einst das Berufsleben von Klaus Leibelt. Modellbahnfreunde und Puppenmuttis werden noch von ihm mit gefertigtes Spielzeug kennen. „Ich bin gelernter Spritzgutfacharbeiter, habe mich über den Meister hin zum Produktionsstättenleiter im damaligen DDR-Spielwarenkombinat Vero Sonneberg qualifiziert, war unter anderem bei Plasticard beschäftigt“, denkt Klaus Leibelt zurück. 1962 habe er als Musterverantwortlicher beispielsweise die Plastmodelle im Maßstab von 1:87 von Lkw Robur oder H6, aber auch die Dampfwalze für die H0-Modelleisenbahn oder den Ikarusbus verantwortet. „Da musste jedes Schräubchen detailgetreu am richtigen Platz sitzen, sonst gab es Ärger mit den Modellbahnbastlern“, denkt er schmunzelnd zurück. In seiner späteren Laufbahn war er Fachmann für Schwimmringe, Badezubehör aus Kunststoff und auch Kinderbadebecken, die im Garten aufgestellt wurden.

Das jetzt entstehende Dampfmodell ist die NUmmer 100. Per Transmissionsriemen werden die Anbauteile angetrieben. Foto: Christof Heyden

Heute freuen sich seine Familie und gute Verwandte über seine kleinen Bauwerke. „Die Kinder haben eine hauseigene Dampfmaschine, wie mir gute Vertraute“, so Klaus Leibelt. Die Mehrzahl seiner Modelle zieren heimische Schränke. Da, wo sonst Erzgebirger im Keller Eingewecktes für lange Winter stehen haben, stapeln sich die Maschinchen aller Art, sorgen beim Erbauer für ein erwärmendes Gefühl. „Das jetzige Exemplar ist, soweit ich es noch überschauen kann, mein 100. Teil.“  Hausbewohner wundern sich so schon längst nicht mehr, dass der Hausflur mitunter als Versuchstrecke herhalten muss. Dann werden dampfende Drei- und Vierräder einem Fahrtest unterzogen, der von Rattern und Zischen bestimmt ist. Übrigens: Ehefrau Bärbel hat als leidenschaftliche Klöpplerin von ihrem Klaus eine Klöppelaufwickelmaschine gebaut bekommen. So schnurrt der Faden wie von selbst auf die Spule.