Chronik einer Katastrophe

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Autor Heino Neuber vor dem historischen Treibehaus (Bildmitte). Das Gebäude ist bereits auf dem 1867 in der „Illustrirten Zeitung“ erschienenen Holzstich zu sehen, welches das Buchcover ziert. Foto: Cristina Zehrfeld

Geplant war eine Broschüre zur Erinnerung an die Grubenkatastrophe auf der „Neuen Fundgrube“ Lugau. Erschienen ist stattdessen ein Buch, welches ohne Übertreibung als Standardwerk in Sachen Bergbauunglücke bezeichnet werden kann.

Lugau. Eigentlich ist es kaum zu glauben: Die Grubenkatastrophe auf der „Neuen Fundgrube“ am 1. Juli 1867 hat mit 101 Toten so viele Opfer gefordert, wie kein anderes Unglück im damals gerade entstehenden Lugau-Oelsnitzer Revier. Dennoch gab es dazu bisher keine umfassende Publikation. Deshalb sollte im Juli 2017, als sich die Tragödie zum 150. Mal jährte, eine 64-seitige Broschüre erscheinen. Reichlich ein halbes Jahr später werden nun das Unglück, seine Ursachen und Folgen in dem 192 starkes Buch „… denn man sah nichts als Elend …“ aufgearbeitet. „Es waren langwierige Recherchen“, bekennt Autor Heino Neuber und ergänzt: „Wir haben gut daran getan, es nicht zum Jubiläum erscheinen zu lassen.“ Als Mitarbeiter des Bergbaumuseums und Vorsitzender der Knappschaft des Lugau-Oelsnitzer Steinkohlenreviers ist Heino Neuber nah dran an der Historie des hiesigen Bergbaus.

Was er aus dem bisher eher dürftigen Material gemacht hat, ist dennoch erstaunlich. Eine der wenigen immer wieder zitierten Quellen zum Unglück stammt von Hermann Unger. Der Lugauer Oberlehrer hatte dem Unglück innerhalb des 1899 erschienenen Buches „Lugau in alter und neuer Zeit“ einige Seiten gewidmet. Wenngleich Heino Neuber sein Buch mit einem blumigen Zitat von Unger beginnt, macht er klar, dass die bisher bekannten Sekundärquellen nicht nur unvollständig sind. „Unger hat vieles nach Geschichten aufgeschrieben, was durchaus das unmittelbare Empfinden schildert, aber auch offensichtliche Fehler enthält.

Auf dieselben Texte wurde später immer wieder zurückgegriffen, obwohl es durchaus noch Primärquellen gibt.“ Für Heino Neuber sind das nicht vordergründig historische Zeitungsartikel aus der Leipziger „Illustrirten Zeitung“, den Dresdner Nachrichten oder der „Gartenlaube“, sondern zum Beispiel Akten des einstigen Hilfskomitees, die im Bergarchiv Freiberg aufbewahrt sind, Briefe an das Komitee aus dem Kirchenarchiv Lugau oder Unterlagen aus dem Finanzministerium Dresden, welches damals die vorgesetzte Behörde war.

Dieser Holzstich nach einer Zeichnung des Augenzeugen Herbert König wurde am 3. August in der Leipziger „Illustrirten Zeitung“ veröffentlicht. Repro: Sammlung Heino Neuber

Entsprechend umfassend wird das Unglück auf der neuen Fundgrube beleuchtet. Der Auslöser für die Katastrophe war ein Schachtbruch, welcher den einzigen Tagesausgang der Grube verschlossen hat. Heino Neuber beginnt seine Betrachtung jedoch schon vor diesem Ereignis, denn bereits vor dem Unglück hatte man an einem zweiten Zugang überlegt. Ein Fluchtweg war zu dieser Zeit nicht gefordert, und die Lugauer Schächte waren so tief, dass man die Kosten dafür scheute. Dennoch war 1966 ein zweiter Schacht in Erwägung gezogen worden, welcher letztlich die Katastrophe hätte verhindern können.

Allerdings ging es dabei nicht um die Sicherheit der Bergleute, sondern um die Erschließung noch ergiebigerer Kohlefelder. Das Unglück selbst, die vergeblichen Rettungsmaßnahmen und das Agieren der jeweils Verantwortlichen werden umfassend beleuchtet. Besonders durch die immer wieder eingeflochtenen Details entsteht ein lebendiges Bild des Geschehens. Da wird von Betriebsdirektor Müller berichtet, der „infolge zu großer Bestürzung“ nicht fähig war, die Sicherungs- und Rettungsarbeiten zu leiten, von Gustav Kneisel, dem Bergdirektor der benachbarten Grube „Gottes Segen“, der diese Aufgabe dann übernommen hat und von Kohlenwerks- und Hammerinspektor Richard Kühn, der Stellung dazu nimmt, ob das Unglück vorhersehbar war.

Dazu kommt die umfassende Darstellung der juristischen Folgen und der Arbeit des nur einen Tag nach dem Unglück ins Leben gerufenen Unterstützungskomitees, welches später Spenden aus ganz Deutschland an die Hinterbliebenen verteilt hat. Das innerhalb der Schriftenreihe des Bergbaumuseums erschienene Buch beinhaltet zudem das Verzeichnis der Opfer und zahlreiche Fotos und Dokumente.

Service: Das Buch „… denn man sah nichts als Elend …“ ist innerhalb der Schriftenreihe des Bergbaumuseums erschienen. Es umfasst 192 Seiten und ist für 17,90 Euro im Museums-Shop erhältlich.